Armut in der Schweiz

Hier findest du das Original von mir: https://www.story.one/de/story/armut-an-reissendem-stoff/

ch lächelte sie an, obwohl mir nicht danach zumute war. „Wo geht es denn hin?“, fragte ich sie. Judes Augen begannen zu leuchten. „Nach Australien für fünf Wochen! Ich habe auch schon gekündigt und…“

Ich liess sie reden, lächelte, zwang meine Augen, es mir nachzutun. Dann sagte ich: „Ach, das ist ja mega! Dann ganz viel Spass.“ Doch ich dachte: „Wieso? Wieso bekam sie ein so viel besseres Leben als ich.“ Jedoch wurde mir klar, dass das wohl viele dachten. Und wenn es vielen so ging, würden doch bestimmt wenige ihr so gratulieren, wie ich es getan hatte. Ich sollte mich also für sie freuen, weil es sonst niemand tat. „Die Arme“, dachte ich. „Es müssen alle neidisch sein und keiner sich richtig für sie freuen. Ausser diese Angeber, die bereits X-Mal in Australien gewesen waren und dann meinten: „Oooh, das ist ja grossartig. Du musst unbedingt (hier Lieblingsort einfügen) sehen und ach die (hier Sehenswürdigkeit einfügen) ist auch ganz wundervoll.“ Und dabei waren sie zwar ehrlich, aber ein wenig war es auch ein „Ha, ich war schon mal da, erster!“, wie es in den Youtube Kommentaren so gerne gesehen wird. Jeder will der Erste sein und der Beste wäre auch nicht schlecht.

Und dann bin da ich, ich verdiene weniger als all meine Freunde. Teilweise sogar weniger als Halbsoviel, wie sie. Ich sitze fest in diesem Land, in dem es nie die perfekte Temperatur hat und immer irgendwas blüht, das gerade deinen Tod wünscht. In dem Land, in dem die Menschen mehr mit sich als mit irgendwem beschäftigt sind, wo man sich bei jedem Wort fragen muss, ob es ehrlich gemeint ist oder nur anerzogene Höflichkeit. Und in dem Land, in dem alles so teuer ist, dass man mit dem eigenen Lohn nicht über die Runden kommt und erst recht nicht ohne Kreditkarte.

 

Das ist mein Land. Und ich möchte weg. Ich möchte reisen und tauchen, die Welt entdecken und mit meinen Erfahrungen füllen, mein Gehirn bestücken mit einzigartigen Minuten und Landschaften, wie ich sie mir nicht gewohnt bin. Ich möchte essen, was ich mag und so richtig geniale Salate zusammenstellen, mit Avocado und weiteren gesunden Fettsäuren. Ich möchte Superfood Smoothies in einem Hightech Mixer machen und Gemüse entsaften um nicht so oft krank werden zu müssen und neue Dinge auszuprobieren. Ich will leben und nicht Mitte Monat die Angst spüren, dass es nicht für den Monat reicht. Dass es für Essen, Kleidung, funktionierende Schuhe, ein Auto, meinen Weg zur Arbeit reicht. Und ich möchte vegan und vegetarisch ausprobieren, ohne dass es dann nur Nudeln essen ist, weil Gemüse zu teuer ist. Ich möchte schlank sein und ohne Schmerzen, aber die Krankenkassen sagt: „Du hast diese Krankheit, aber sie interessiert uns nicht.“ Ich möchte sagen können „Dann F***t euch doch“, weil ich wüsste, ich hätte selbst die Möglichkeit, mir zu helfen…mich zu retten.

 

Doch ich sitze in diesem Land. Arbeite, Tag für Tag. Die Müdigkeit bestimmt mich und die, die denken, sie verstehen, meinen, man müsse nur positiv denken. Aber auch positiv denken hat eine Grenze. Und meine ist hier.